Eins aber ist not
Nach einer Predigt von Istvan Gazdag
in Ungarn/2006
Am Anfang möchte ich etwas aus dem Leben von Georg Müller erwähnen, der in Bristol
als "Vater der Weisen" bekannt war. Während seiner Lebzeit hat er nämlich etwa 10.000
Waisenkinder aufgezogen. Ein gewaltiges Unternehmen, das zweifellos nur durch die
Kraft und Fürsorge Gottes möglich war, besonders, weil er keinerlei Mittel besaß. In
seinem Buch an junge Christen schrieb er etwas über "Das Lesen der Heiligen Schrift".
Darin steht: "Vier Jahre nachdem ich den Herrn kennen gelernt hatte, stellte mir ein
älterer und erfahrener Bruder einen Weg vor, auf dem ich schneller in Erkenntnis und in
der Gnade wuchs, mit der Folge, dass ich den Herrn besser verherrlichen konnte; ich
wandelte nützlicher als zuvor. Mein großer Fehler am Anfang war, dass ich das Wort
vernachlässigte, wodurch ich viel verlor. Aus diesem Grunde beschloss ich, meinen
jüngeren Brüdern in Christus die Wichtigkeit des Bibellesens zu betonen."
Er war demnach bereits vier Jahre lang gläubig, als er gelernt hatte, wie wichtig das Lesen
des Wortes Gottes ist. Der Herr Jesus selbst lehrt deutlich, dass es nichts Wichtigeres gibt
als seiner Rede zuzuhören. Alles, was seinen Anfang nicht darin hat, ist gänzlich sinnlos
und nichtig. Es wird uns allerdings auch klar gesagt, dass wir darauf achten sollen, wie wir
hören, und dass wir nicht Hörer allein, sondern Täter des Wortes sein sollten.
Der Bruder, der Müllers Biographie schrieb, besuchte ihn einmal, und erzählte ihm
verschiedene Sachen. Georg Müller hörte ihm geduldig zu und sagte dann: "Mein lieber
Bruder, alles was du sagst klingt schön und gut, nur ein Problem gibt es damit - es ist
nicht dem Worte Gottes gemäß."
Gott aber tut alles durch und gemäß seinem Wort. Er sprach und es geschah. Über den
Herrn Jesus lesen wir, dass er das Fleisch gewordene Wort ist. An verschiedenen Stellen
der Bibel wird uns bezeugt, dass alles durch Ihn geschaffen worden ist und dass durch Ihn
die ganze Welt zusammen gehalten wird. Würde also Gott sein Wort zurücknehmen,
würde alles sofort aufhören zu existieren. So einfach ist das. Daher ist es außerordentlich
wichtig, dass und wie wir auf Sein Wort hören.
In dem Evangelium von Lukas gibt es eine kurze Begebenheit, die wir jetzt diesbezüglich
näher anschauen wollen. Zunächst möchte ich feststellen, dass Lukas ein Arzt war, der
sehr gründlich arbeitete. Er fängt sein Evangelium mit den Worten an:
"Nachdem schon
viele es unternommen haben, eine Erzählung der Tatsachen abzufassen, die unter uns
völlig erwiesen sind, wie sie uns diejenigen überliefert haben, welche von Anfang an
Augenzeugen und Diener des Wortes gewesen sind; so schien es auch mir gut, der ich
allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach zu beschreiben,
vortrefflichster Theophilus" (Lukas 1,1-3).
Er gibt hier selbst Zeugnis darüber, dass er nicht etwa irgendwelche Fabeln leichtfertig
niederschrieb, sondern es sorgfältig geprüft und geordnet auf Papier brachte - "der ich
allem von Anfang an genau nachgegangen bin, es dir der Reihe nach zu
beschreiben". Das ist typisch für die Arbeit eines Arztes, der - wenn er ein guter Arzt
ist - erst eine gründliche Untersuchung durchführt und dann alles sorgfältig und geordnet
dokumentiert.
Lukas nennt auch die Person, an die er schreibt: "Guter Theophilus".
Dieser Name hat eine Bedeutung. Lukas mag zwar zu einer tatsächlichen Person mit
diesem Namen geschrieben haben, doch dieser Name zeigt auch, dass dieser Bericht an
alle adressiert ist, die das Wort Gottes lieben und gerne erforschen. Er schreibt an
diejenigen, die danach hungern, von Gott alles zu erfahren, was möglich ist. Darauf weist
dieser Name hin. In biblischen Zeiten, hatten Namen oft eine wichtige Bedeutung. Man
konnte den Charakter oder besondere Eigenschaften eines Menschen dadurch erkennen.
Man kann das zwar nicht immer anwenden, denn es gibt bekanntlich verschiedene Judase
zum Beispiel: Einer von ihnen ist ein treuer Apostel, der andere dagegen ein Verräter.
Da das Evangelium für einen solchen Menschen geschrieben wurde, der Gott liebte und
seine Worte mit großem Hunger erforschte, spricht es auch jeden Anderen an, der mit
demselben Eifer Gott und Seine Wege kennen lernen will. Wenn das auf uns zutrifft, dann
liegt uns eine geordnete Schrift vor, aus der wir viele wichtige Sachen in Erfahrung
bringen können.
Wir wollen heute die Geschichte von zwei Frauen, die beide den Herrn Jesus lieben, aus
Lukas 10,38-42 betrachten:
"Als sie aber weiterreisten, kam er in ein Dorf; ein Weib aber namens Martha nahm ihn
auf in ihr Haus. Und diese hatte eine Schwester, welche Maria hieß, die setzte sich zu
Jesu Füßen und hörte seiner Rede zu. Martha aber machte sich viel zu schaffen mit der
Bedienung. Und sie trat herzu und sprach: Herr, kümmerst du dich nicht darum, dass
mich meine Schwester allein dienen lässt? Sage ihr doch, dass sie mir helfe! Der Herr
aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du machst dir Sorge und Unruhe um
vieles; eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr
genommen werden!"
Zwei Schwestern, die den Herrn Jesus lieben, die Ihn in ihr Haus aufnehmen. Dennoch
gibt es gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Frauen. Maria tut etwas, was
den Menschen im Allgemeinen überhaupt nicht gefällt: Sie setzt sich zu Jesu Füßen und
hört seiner Rede zu. Martha dagegen ist sehr bemüht, um dem Herrn zu dienen. Das ist
etwas Großes, etwas Edles in den Augen der Menschen, das bewundern sie: Das ständige
Dienen, das Eifrig sein im Werk des Herrn. Sehen wir aber jemanden wie Maria, die sich
zu den Füßen Jesu setzt und Ihm zuhört, dann regen wir uns auf. Solches Handeln reizt
die Gläubigen und noch viel mehr die Ungläubigen. Sie sagen: "Du tust gar nichts, ich
mühe mich hier ab, du dagegen hilfst mir nicht einmal!" Das ärgert den Menschen! Der
Mensch will immer etwas tun und das Ergebnis davon sehen. Doch zulassen, dass Gott
in seinem Leben wirkt, das will er nicht! Und wenn jemand wie Maria es doch wagt,
dann ist das ein Dorn in unseren Augen. Einmal erlebte ich das in einer Gemeinde, wo
eine ältere Frau mich unbemerkt beobachtete. Nachdem wir uns einige Jahre später
wieder trafen, erzählte sie mir folgendes: "Weißt du, du hast mich damals so geärgert,
denn so oft wir zusammen kamen, uns an den Tisch setzten, Kaffee tranken, uns
unterhielten, Gemeinschaft pflegten, da hast du einfach deine Bibel genommen, dich in
eine Ecke gesetzt und gelesen. Ich habe immer gedacht:
"Wofür hält er sich eigentlich?
Wir sind alle hier zusammen, er aber sondert sich ab und liest die Bibel." Ich habe ihr
lächelnd zugehört und wartete, wohin das führen würde. Da sagte Sie: "Ich muss dir
heute bekennen, dass ich es damals hätte genau so machen sollen!" Sie ist inzwischen
dahinter gekommen, dass aus dem Hören des Wortes Gottes viel mehr Segen erwächst,
als aus irgend etwas anderem, doch damals hat mein Verhalten sie maßlos geärgert.
Dasselbe sehen wir bei Martha. Sie ärgert sich. Was aber sind die Auswirkungen davon?
Sie beginnt den Sohn Gottes zu beschuldigen: "Warum lässt Du das zu?" Kennen wir diese
Frage? Wie oft gehen diese Worte von unseren Lippen? Wir Menschen wissen es doch
immer besser, was und wie Gott handeln sollte, nicht wahr? Martha kritisiert den Herrn
Jesus. Was Maria tut, gefällt ihr nicht, und sie ist schnell dabei, den Herrn dafür
verantwortlich zu machen: "Herr kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich
alleine lässt? Sieh doch, wie ich mich im Dienen abmühe, und das ganz allein! Dir diene
ich doch! Kümmert es dich nicht, dass ich allein bin, dass mir niemand hilft! Warum tust
du nichts, warum sagst du ihr nichts? Sie soll endlich aufstehen und mir helfen!" Sie erteilt
dem Herrn sogar Ratschläge. Sie sagt Ihm, was Er sagen sollte: "Sag ihr doch, dass sie mir
helfen soll!"
Sind uns diese Dinge aus unserem eigenen Leben bekannt? Reden und handeln nicht auch
wir oft so, obwohl wir den Herrn lieben? Ja, so ist der Mensch. Was ihm nicht gefällt,
dafür gibt er Gott die Schuld. Er weiß ja alles besser, er maßt sich sogar an, Gott zu
beratschlagen. "Gott tu' was ich will! Sag' doch endlich was!" Aber der Herr hört nicht auf
Martha zu lieben! Wie sanft antwortet Er doch?
"Martha, Martha du bist fleißig." Das
entgeht Ihm nicht!
"Du machst dir Sorge und Unruhe um Vieles. Doch nur eins ist
notwendig. Und Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen
werden!"
Was ich selbst tue, worin ich mich selbst befleißige, kann sehr leicht verloren gehen. Was
aber der Herr durch sein Wort in mir tut, das geht nie verloren, das bleibt in Ewigkeit!
Darum ist das Wort so wichtig! Gott tut alles durch und gemäß seinem Wort. In den
Propheten steht geschrieben, dass er nichts tut, er offenbart es denn zuerst seinen
Knechten, den Propheten (Amos 3,7). Er tut zunächst sein Wort kund, lässt es
verkündigen, um es danach zu erfüllen. Nehmen wir uns doch die Zeit, dass wir zu Jesu
Füßen sitzen und Ihm einfach zuhören! Ohne wenn und aber! Kümmern wir uns nicht um
den Dienst, oder wie wir Ihn irgendwie beeindrucken könnten, sondern setzten wir uns
einfach zu Seinen Füßen hin und hören Seiner Rede zu!
Es ist natürlich von außerordentlicher Wichtigkeit, wie wir dem Wort zuhören.
"Darum,
liebe Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zum Hören, langsam aber zum Reden, und
langsam zum Zorn. Denn des Menschen Zorn wirkt nicht Gottes Gerechtigkeit. Darum so
leget ab alle Unsauberkeit und alle Bosheit und nehmet das Wort an mit Sanftmut,
das in euch gepflanzt ist, welches kann eure Seelen selig machen."
(Jakobus 1,19-21).
Wir
sollten also schnell sein zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn. Wenn wir
uns zu den Füßen Jesu setzten und anfangen selbst zu reden, oder wenn wir über etwas
aufgeregt sind, dann können wir sicher sein, dass das die Wirkung des Wortes
beeinträchtigen wird. Diese Dinge stehen dem Worte Gottes entgegen. Wir müssen
verstehen, dass der Zorn des Menschen nicht die Gerechtigkeit Gottes wirkt! Man
muss mit dem Zorn aufhören, denn das widersteht unweigerlich dem Worte Gottes. Daraus
entsteht nichts Gutes! In dem Psalmbuch lesen ähnliche Worte:
"Sei stille dem HERRN
und warte auf ihn; erzürne dich nicht über den, welchem sein Weg gelingt. Lass ab vom
Zorn und lass den Grimm; erzürne dich nicht, dass du nicht auch übel tust." (Psalm 37,7-8).
Wenn wir wahrhaftig zu Jesu Füßen setzen wollen, um zu hören, was Er zu sagen hat,
dann tun wir es doch nach Seiner Anweisung: "Darum leget allen Schmutz und Vorrat
von Bosheit ab und nehmet mit Sanftmut das euch eingepflanzte Wort auf." Die Folge
davon ist: "welches euere Selen retten kann". Nehmet das Wort mit Sanftmut an! - sagt
der Apostel.
Was das bedeutet, lehrte mich der Herr auf hoher See. "Sei stille dem Herrn und warte auf
Ihn." Eine andere Übersetzung verwendet statt "sei stille" einen Ausdruck, den man bei
hohen Wellen verwendet, wenn sie sich legen. Diese "sich legen" ist mir persönlicher,
denn gerade durch das legen der Wellen auf hoher See lehrte mich der Herr, was das "sei
stille" bedeutet. Ich erlebte manchmal tosende Wellen bis zu 13 Meter Höhe. Wenn man
bei solchem Toben des Meeres selbst einen großen Felsen ins Wasser schmeißt,
verschlingen ihn die Wellen, ohne dass er bedeutende Veränderung an der
Wasseroberfläche hinterlässt. Es gab aber auch Tage, an denen die Wellen sich völlig
legten und das Wasser sich absolut nicht mehr regte. Allein die Wellen des Schiffes
unterbrachen diese Stille. Bei solch ruhigem Wasser reichte der kleinste Stein, um weite
Kreise zu ziehen. So wirkt auch das Wort Gottes. Wenn alle Wellen des Zweifels, des
Zornes, der Bosheit, usw. sich gelegt haben, wenn wir wirklich still sind, dann zieht jedes
Wort weite Kreise in unserem Leben. Wenn wir aber innerlich aufgewühlt sind durch Zorn
oder "jeglicher Uneinigkeit", dann setzen wir uns umsonst zu Jesu Füßen. Seine Worte
verhallen wirkungslos. Wenn wir nicht still sind, dann kann sein Wort weder in uns noch
für uns etwas tun, dann können wir es nicht sanftmütig aufnehmen. Sanftmut bedeutet hier,
ohne jeglichen Widerstand. Da gibt es keinen Streit, kein Durcheinander, die Wogen
türmen sich nicht bis zum Himmel, es gibt nur die Stille (Habakuk 2,20). Nur der Herr
spricht. Auf diese Weise wird jedes Seiner Worte etwas Besonderes ausrichten, sowohl in
unserem Leben, wie auch durch uns. Er vollbringt in uns immer die Dinge, die Ihm
wohlgefällig sind. Und wenn wir Ihn wirklich lieben, dann werden wir daran auch unsern
Gefallen haben. Das Wort wird dann wirksam. In dem Brief an die Hebräer heißt es:
"Das
Wort ist lebendig und wirksam" (Hebräer 4,12a).
Unser Problem ist, dass wir nicht stille
werden, dass die Wellen in unseren Herzen sich nicht legen. Wir legen nicht alles ab, was
dem Wort entgegensteht, und so kann es uns nichts nützen. Wirken tut es aber dennoch,
aber ganz anders: es zerstört! Es zermalmt alles, was Gott missfällt. Auch das tut der Herr
durch sein Wort, und das kann sehr schmerzhaft werden.
Wir müssen wählen. Entweder folgen wir dem Beispiel Marias, oder dem der Martha.
Beide sind gläubig, beide lieben den Herrn, doch der Unterschied ist immens. Wir müssen
täglich entscheiden, in welche Richtung wir gehen. Was ist uns wichtig? Was ich für den
Herrn tue, oder was der Herr für mich tut? Was ich schaffe, das kann schell wieder
verloren gehen. Was der Herr für mich tut, das geht nie verloren. Darum sagt der Herr zu
Martha, dass Maria den besseren Teil erwählt hat, was nicht von ihr genommen wird.
Was Gott in uns schafft, was er in uns vollbringt, das kann uns niemand wegnehmen. Das
hat ewigen wert. Ich denke, das ist es, was wir alle suchen, was wir alle in unserem Leben
sehen möchten. Das bringt Erweckung. Die Menschen um uns horchen auf und fangen an
zu sehen und zu erleben, dass Gott existiert, dass er lebt, und dass sein Wort die Wahrheit
ist. Kein anderer Weg führt zu diesem Ergebnis! Es ist nicht ausreichend, dass ich in eine
Gemeinde gehe, dort singe, die Predigt anhöre, ein Gebet spreche und dann nach Hause
renne, um meinen eigenen Sachen nachzukommen. Das reicht nicht. Das sind nur
Äußerlichkeiten. Das ist alles wertloses Gehabe. Das ist wohl der Grund dafür, dass
manchmal ein völlig unwissender in eine Gemeinde kommt und doch mit größerem Segen
nach Hause geht, als alle anderen Gläubigen zusammen. Er ist noch kein Teil der
Gewohnheiten, der Tradition, er denkt noch nicht, so und so muss man das machen. Er
kommt rein und hört das Wort des Herrn mit Einfalt. Und das Wort vollbringt das Wunder
in seinem Leben.
Ich erinnere mich an einen Juden-Christen, der darüber berichtet hat, wie eine solche Frau
plötzlich geheilt worden ist, über die er selbst dachte: "Warum hat Gott gerade Sie geheilt?
Alle Anwesenden hätten es mehr verdient." Gott aber wirkt nicht auf solcher Grundlage,
nicht nach solchen Gedanken. Seine Gerechtigkeit ist ganz anders. Er segnet uns nicht
nach dem, was wir verdienen, sondern nach seiner Gnade. Es sieht so aus, dass das Leben
dieser Frau nicht so ordentlich war wie das der anderen Christen, aber Ihr Herz wurde still
und sie hörte des Herrn Wort. Und das vollbrachte ein Wunder nicht nur in ihrem
geistlichen Leben, sondern heilte sogar ihren Körper. So wunderte sich der Pastor, warum
Gott das gerade für sie getan hat.
Eines Tages sprach ich in einer Gemeinde in Aachen, wo recht viele versammelt waren. Es
kam auch ein völlig besoffener Mann herein, der nicht einmal wusste, wo er hingeraten ist.
Er saß fast ohnmächtig auf seinem Stuhl, mal schlief er, mal wachte er wieder auf. Mitten
in der Predigt wurde er plötzlich völlig nüchtern. Er schaute sich verwundert um. Man sah
an ihm, dass er die Welt nicht mehr verstand. Obwohl er völlig unter dem Einfluss des
Alkohols stand - vielleicht war das für ihn sogar notwendig, um still zu werden, denn das
habe ich auch schon bei anderen Alkoholikern erlebt -, erreichte ihn anscheinend das Wort
Gottes, welches ihn dann augenblicklich frei machte. Die Gläubigen haben das Ereignis
auch bemerkt und einige kamen nach der Predigt zu mir und sagten: "Wie mächtig der
Herr durch dich gewirkt hat!". Ich versuchte ihnen klar zu machen, dass es Sein Wort war,
das dieses Wunder vollbracht hat. Nach dem Gottesdienst aßen wir zusammen zu Abend.
Auch dieser Mann saß in unserer Mitte. Man sah ihm die große Verwunderung an, die
dieses Ereignis bei ihm auslöste. Er beobachtete alles um sich herum und wirkte sehr
aufmerksam. Er erlebte und fühlte die Kraft Gottes. Der Herr tut sein Werk oft an
Menschen, über die wir sagen würden, sie haben es gar nicht verdient. Doch vergessen wir
nie, der Herr Jesus kam, um zu suchen und zuretten, was verloren ist.
Gestern unterhielt ich mich mit meiner Schwägerin, die sehr befremdet darüber war, dass
viele große Gauner ein langes Leben haben, aber solche die als "gute Menschen" gelten,
oft durch Krankheiten oder Unfällen jung sterben müssen. Ich stellte ihr deshalb eine
einfache Frage: "Sage mir, wenn dein Sohn irgendwann zu einem Kriminellen wird,
vielleicht sogar zu einem Mörder, dann wirst du ihn nicht mehr lieben?" Nach kurzer
Überlegung antwortet sie: "Selbst Mörder werden von ihren Müttern im Gefängnis
besucht!". Das war ein ganz neuer Gedanke für sie. So, genau so ist Gott. Oder meinen wir,
dass er sich um seine Schöpfung nicht kümmert? O doch, aber nicht nach unserem
Gerechtigkeitsgefühl - das übrigens völlig korrupt ist (Jesaja 64,5), sondern nach seiner
Gnade und Liebe. Er weiß besser als wir, dass wir alle Mörder sind, auch wenn wir das
nicht wahrhaben wollen. Der Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Brief, dass wenn
jemand seinen Nächsten hasst, ist er bereits ein Menschenmörder (Kapitel 3, Vers 15). Wir
brauchen also niemanden mit dem Messer zu erstechen oder mit dem Gewehr in den Kopf
zu schießen, vor Gott reicht es, wenn wir jemanden hassen! Das bereits ist Mord! Ich habe
viele Menschen in meinem Leben kennen gelernt, aber nur wenige haben behauptet, noch
nie jemanden gehasst zu haben. Ob das der Wahrheit entspricht, ist eine andere Frage. Es
geschehen doch immer wieder Dinge in unserem Leben, die uns dazu verleiten, jemanden
zu verachten oder zu hassen. Als ich gläubig wurde, gab es zwei konkrete Personen in
meinem Leben, die ich hasste. Eines der ersten Werke Gottes in meinem Herzen war, dass
Er mich von diesem Hass befreite. Nach dem Maßstab des Wortes Gottes ist jemand, der
einen Anderen hasst, ein Mörder. Er führt das vielleicht nicht aus, weil der Andere stärker
ist, oder weil er eine Bestrafung fürchtet, doch in seinem Herzen hat er die Tat bereits
begangen. Und Gott sieht unsre Herzen an. In Wirklichkeit müssten wir alle im Gefängnis
sitzen. Und wir sind dort auch! Die Heilige Schrift bezeugt, dass wir uns in dem Gefängnis
unseres Körpers befinden. Daraus erwarten wir selbst als Gläubige noch die Erlösung. Der
Herr wird uns da herausholen, wenn die Zeit dafür gekommen sein wird. Der Herr hält uns
eingesperrt, damit wir nicht ausführen können, was wir in unserem Herzen ausdenken
(Galater 5,17). Wenn manche dann tatsächlich vollbringen, was in ihrem Herzen ist,
stempeln wir sie als Kriminelle, als unwürdige Menschen ab.
Neben dem Herrn wurden auch zwei Mörder gekreuzigt. Der eine wurde still im Herzen,
vernahm das Wort des Herrn und wurde gerettet – nicht aber von dem rechtmäßigen
irdischen Urteil! Ihm sagte der Herr: "Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein." Ich
möchte hier betonen, dass er sagte "mit mir". Das ist, was wirklich zählt! Wir legen immer
so viel Gewicht auf das Paradies. Mag aber das Paradies noch so schön sein, das schönste
bleibt immer noch das "mit mir".
Auf den Herrn Jesus kann man auf verschiedene Weise schauen. Man kann Ihn
verschieden betrachten, und unsere Sichtweise bestimmt, was in und mit unserem Leben
geschehen wird. Dasselbe gilt für das Wort Gottes. Der Herr Jesus ist ja das Wort Gottes.
Wie wir Ihn am Kreuz betrachten, entscheidet alles. Über den römischen Hauptmann wird
folgendes berichtet: "Als aber der Hauptmann und die, welche mit ihm Jesus bewachten,
das Erdbeben sahen und was da geschah, fürchteten sie sich sehr und sprachen:
Wahrhaftig, dieser war Gottes Sohn!" (Mathäus 27,54).
Was haben der Hauptmann und die anderen Soldaten gesehen?

Zunächst einmal sahen sie
das Erdbeben.
Es ist bezeichnend, dass der Großteil der Juden nicht einmal durch das
Erdbeben bewegt wurde. Selbst dann waren sie zum Glauben nicht bereit. Sie hielten
immer nach Wunder Ausschau. Und hier ist das Wunder. Es gab sogar ein Erdbeben als
der Herr Jesus stirbt. Aber selbst wenn Gott die Erde erschüttert, bewegt es in unserem
Leben nichts, wenn wir im Herzen nicht still werden. Sie haben es nicht begriffen. Sie
haben nicht verstanden, dass die ganze Welt drei Stunden lang verfinstert war. Was
braucht man noch ein größeres Zeichen? Wer starb je umgeben von solchen Zeichen?
Doch das alles genügt dem Menschen nicht, wenn er in seinem Herzen nicht still wird,
wenn er alles besser weiß als Gott und Ihm widersteht. Selbst ein Erdbeben war nicht
genug für sie, dass sie die Ereignisse hätten verstehen können. Doch was sollte Gott noch
tun? Wie sollte er uns aufrütteln? Nicht einmal ein Erdbeben schafft es. Aber der
Hauptmann und seine Leute ließen sich durch das Erdbeben und was sonst noch um sie
geschah, aufwecken. Sie betrachteten genau, was am und um das Kreuz geschah. Sie
achteten auf alles. Was war das Resultat? Sie bekannten: "Wahrlich, dieser war Gottes
Sohn". Der Herr Jesus selbst gab Zeugnis davon, dass diese Offenbarung niemand als der
Vater allein geben kann. Als Petrus zu Ihm spricht:
"Du bist der Christus, der Sohn des
lebendigen Gottes",
antwortet ihm Jesus: "Dies hat dir kein Fleisch und Blut
geoffenbart".
Diese Wahrheit kann man nicht lernen, man kann es mit dem menschlichen
Verstand nicht begreifen. Es bedarf göttlicher Offenbarung, die nur der Vater einem jeden
geben kann. Er hat sie dem Hauptmann und seinen Männern gegeben, und das hat einen
Grund. Sie ließen sich von dem Erdbeben aufrütteln. Die Mehrheit blieb unbewegt. Die
Soldaten betrachteten genau die Geschehnisse, sie nahmen sich Zeit dafür und waren sehr
aufmerksam. Ihre Augen wurden nicht durch Hass oder Neid geblendet. Sie betrachteten
alles, sie schauten auf Jesus, bis die Offenbarung kam: "Dies ist mein Sohn." Gott hat
seinen Sohn Jesus wegen unseren Sünden zerschlagen. Die römischen Soldaten haben das
dann verstanden. Wieso? Weil sie auf alles achteten, was da geschah.
Die Bibel berichtet auch über andere Leute, die sich anders verhielten: "Und die
Vorübergehenden lästerten ihn, schüttelten die Köpfe und sprachen: Ha, der du den
Tempel zerstörst und in drei Tagen aufbaust, hilf dir selbst und steige vom Kreuz herab!"
(Markus 15,29-30). Diese Leute betrachteten alles im Vorübergehen. Sie haben sich nicht
die Zeit genommen, alles genau zu betrachten, sie suchten nicht die Wege Gottes zu
verstehen. Sie hatten Ihre eigene Meinung bereits gebildet und die Folge davon war, dass
Sie lästerten. Das ist die zweite Möglichkeit, wie wir das Kreuz betrachten können. Wir
werfen einen Blick darauf, nur so im Vorübergehen, und sagen gleich unsre Meinung:
"Seht, was mit Ihm passiert! Na, du großer Meister, was machst du jetzt? Warum steigst
du nicht herab vom Kreuz? Befreie dich doch selbst!" So spottet der Mensch, der nur im
Vorübergehen einen Blick auf den Herrn wirft. Leider ist es bis heute Gang und Gebe in
vielen Gemeinden, dass viele das Wort Gottes nur so im Vorübergehen hören. Nur im
Vorübergehen schauen Sie auf Jesus. Das Ende davon ist immer das Selbe: Früher oder
später werden sie zum Spötter. Oder wie es hier auch heißt: Sie lästerten Ihn.
Die größte
Tragödie ist aber, dass sie es nicht einmal merken. Wie viele Christen trifft man heute an,
die in verschiedenen Situationen sagen: "Warum lässt Gott das zu? Ich bin doch sein Kind,
ich bete viel, ich diene in der Gemeinde, und, und, und." Was sagt der Herr dazu? "Martha,
Martha du bist gesorgt um viele Dinge, eins aber ist Not." Und ER schaut auf dieses EINE!
Jesaja, der Prophet macht diesen Unterschied auch deutlich: "So spricht der HERR: Der
Himmel ist mein Thron und die Erde meiner Füße Schemel! Was für ein Haus wollt ihr mir
denn bauen? Oder wo ist der Ort, da ich ruhen soll? Hat doch meine Hand das alles
gemacht, und so ist dies alles geworden, spricht der HERR. Ich will aber den ansehen, der
gebeugten und niedergeschlagenen Geistes ist und der zittert vor meinem Wort." (Jesaja
66,1-2). Der Mensch trachtet immer nach etwas Großem. Er will einen großen Tempel
bauen; sei es aus Stein oder nur eine Vorstellung, das macht keinen Unterschied. Die
Hauptsache bleibt, dass es groß sein soll, um damit Gott und Menschen zu beeindrucken.
Doch, der Herr sagt: "Was willst du für mich tun?" Das ist es nicht, was Not tut. Ich will
aber den ansehen, der gebeugten und niedergeschlagenen Geistes ist und der zittert vor
meinem Wort. Der Mensch fürchtet ja alles, nur dass nicht, was er in der Tat fürchten
sollte. Wir fürchten uns vor Unfällen, vor Krankheiten, vor familiären und beruflichen
Problemen, vor dem Tod, etc. Also vor allem, was gar nicht zu fürchten wäre, wenn wir
nur das Wort Gottes fürchten würden. Denn dann würde es uns allen gut gehen. Wir
würden es beachten, denn was der Mensch fürchtet, darauf achtet er auch. Ist es nicht so?
Wir fürchten die Krankheiten, also tun wir alles dafür, dass wir sie vermeiden, oder aber
kurieren. Wir tun alles, um den Zeitpunkt unseres Sterbens hinauszuschieben. Was auch
immer wir fürchten, darum bemühen wir uns, dass es uns nur nicht widerfährt. Um solche
Sachen sorgen wir uns sehr.
Ich zog einmal an einen neuen Ort und machte gleich einen Spaziergang, um die Gegend
etwas zu erkunden. Seitdem sind viele Jahre vergangen, aber ich erinnere mich immer
noch wie ich verwundert dachte: "Wie kann es in einer kleinen Ortschaft wie dieser, mehr
Apotheken als Lebensmittelgeschäfte geben? Wovon leben hier die Menschen eigentlich?"
Es war für mich ein klares Zeichen dafür, was die Menschen an diesem Ort fürchteten.
Medikamente waren ihnen wichtiger als Lebensmittel. Das war das erste mal, dass mir so
etwas auffiel, man kann es aber vielerorts beobachten. Der Mensch fürchtet sich. Und er
tut alles, was in seiner Macht steht, um dem Gefürchteten zu entgehen, sei es Tod,
Krankheit, Missgeschick, oder eben Gott. Das bedeutet, er beobachtet ganz genau alles,
was ihm wichtig ist, er verwendet Zeit, Energie und Geld dafür. Würden wir mit dem Wort
Gottes auf dieser Weise umgehen, dann würde unser Leben ganz anders aussehen. Alles
würde sich verändern, kleines und großes. Wir würden eine andere Regierung haben, eine
andere Wirtschaftslage, andere Familienverhältnisse, ein völlig anderes Leben. Wir hätten
ein gesegnetes und erfülltes Leben. Nochmals die Grundlage dafür: "Ich will aber den
ansehen, der gebeugten und niedergeschlagenen Geistes ist und der zittert ob meinem
Wort." In dem, der gebrochen ist, gibt es keinen Widerstand mehr; er lehnt sich nicht
mehr auf. Nur wer dem Worte Gottes gegenüber gebrochen ist, ist auch bereit, das Wort
mit Sanftmut aufzunehmen. Wer arm ist, kann nichts Großartiges bauen, keinen großen
Tempel, kein Haus für den Herrn, er besitzt nichts, was er geben könnte, er kann nur
empfangen. Er kann nur darauf warten, dass er etwas bekommt, und auf solche schaut der
Herr, auf den Armen, der gebrochenen Herzens ist und der vor seinem Wort zittert.
Georg Müller merkte erst nach vier Jahren Glaubensleben, dass er zwar viele Sachen tat,
aber das Wort vernachlässigte, und dass ihm das zum Schaden wurde. Er blieb schwach
und im Bezug auf das Reich Gottes völlig nutzlos. Dann fing er an sich mit dem Worte
Gottes zu beschäftigen, er nahm es mit Sanftmut an und was geschah? Er bekam solche
Kraft, dass er bis zum heutigen Tage eine Legende ist. Zehntausend Weisenkinder haben
bis zum heutigen Tage nicht viele Menschen während ihrer Lebzeit aufgezogen, ohne
sogar die dazu notwendige Mittel zu haben. Er war arm, er war gebrochenen Herzens und
er zitterte vor dem Wort Gottes. Das ist alles, was er brauchte, um ein so gigantisches
Werk zu vollbringen.
Es gab Tage, als hunderte Kinder am Tisch saßen und auf das Frühstück warteten. Georg
Müller aber hatte nichts, was er ihnen hätte auftischen können. Was tat er? Er ging in sein
Büro, schloss die Tür hinter sich zu, kniete vor dem Herrn nieder und betete, bis ein
Lastwagen vor dem Haus stehen blieb und die notwendigen Lebensmittel brachte. Der
Herr schaut nur auf solche Menschen, die arm sind, die gebrochenen Herzens sind und die
sein Wort fürchten. Georg Müller ist nur ein Beispiel von vielen, die vor uns nach diesem
Wort gelebt haben.
Eins aber ist Not und Maria hat den besseren Teil erwählt, der nicht von Ihr genommen
wird. Maria setzte sich zu den Füßen Jesu und hörte seiner Rede zu. Das befremdet die
Menschen, denn das gefällt ihnen nicht, so etwas stimmt sie sogar feindlich. Den
Menschen gefällt es, wenn große Tempel gebaut werden, wenn es große Gemeinden und
Feste gibt. Daran ergötzen sie sich, aber der Mensch will sich nicht zu den Füßen Jesu
setzen, um Ihm zuzuhören. Damit will er nichts zu tun haben. "Lasst uns in Ruhe mit dem
Worte des Herrn!" - ist ihre Haltung. Viele sagen: "Ich bin doch schon so lange Christ,
was willst du mir sagen? Ich gehöre doch zum Volk Gottes! Du willst mich belehren?"
Diese Haltung ist töricht und widersteht dem Geiste Gottes. Sie ist allerdings nichts Neues.
Das Volk Gottes im Alten Testament, das seine eigene Wege liebte, das sich von Gott
nicht regieren lassen wollte, sprach genauso zu den damaligen Propheten: "Denn es ist ein
ungehorsames Volk und verlogene Kinder, die nicht hören wollen des HERRN Gesetz,
sondern sagen zu den Sehern: Ihr sollt nichts sehen! und zu den Schauern: Ihr sollt uns
nicht schauen die rechte Lehre; prediget uns aber sanft, schauet uns Täuscherei;
weichet vom Wege, gehet aus der Bahn; lasset den Heiligen Israels aufhören bei uns!"
(Jesaja 30,9-11).
Als einmal ein Prediger in eine Gemeinde eingeladen wurde und vom Herrn ein Wort für
diesen Anlass erbat, wurde er mitten in der Predigt aus der Kirche geworfen. Der
Gottesdienst ging weiter, er aber setzte sich draußen auf die Treppe und klagte sein Leid
dem Herrn: "Ich habe ihnen doch nur das gesagt, was Du mir befohlen hast." Nach einer
Weile antwortete ihm der Herr: "Was jammerst du eigentlich? Du hast doch die Hälfte der
Predigt vortragen können und erst dann wurdest du hinausgeschmissen. Mich dagegen
haben sie noch nie hereingelassen." Äußerlich sieht oft vieles gut aus, doch das
Allernötigste fehlt. Nämlich, dass wir uns zu Seinen Füßen setzen und Seiner Rede
zuhören. Sind wir solche, die das Wort fürchten, die erzittern, wenn Gott spricht? Dazu
muss man stille werden. Es braucht Zeit. Das ist nur so im Vorübergehen nicht möglich.
Solche haben den Sohn Gottes verhöhnt, beschimpft und verspottet. Auch wir werden das
tun, wenn wir auf solche Weise auf den Herrn schauen oder sein Wort so behandeln. Auch
Gläubige können einem solchen Schicksal nicht entgehen! Ich habe leider schon einige
Gläubige kennen gelernt, die zum Spötter wurden. Doch wer aufmerksam die
Geschehnisse betrachtet, wie der römische Hauptmann, wer sich von der Kraft Gottes
aufrütteln lässt, wird früher oder später erkennen, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Und das
ist das Wichtigste vor allem. Solange wir diese Offenbarung nicht empfangen haben bleibt
alles leer und nichtig.
Betrachten wir noch die Resultate und die Früchte daraus, wenn wir uns zu Jesu Füßen
setzten und Seiner Rede zuhören? Martha und Maria dienen uns dabei weiterhin als
Beispiel. Wir lesen, dass ihr Bruder Lazarus krank wird und Jesus davon erfährt. Er kommt
aber erst vier Tage nach seinem Begräbnis an den Ort. Als Martha von dem Kommen Jesu
erfährt, läuft sie Ihm sofort entgegen. Maria aber bleibt Zuhause. Bereits hier sehen wir den
ersten Unterschied. Martha rennt sofort los, Maria aber sitzt still Zuhause und wartet auf
den Herrn. Als Martha zu Jesus gelangt sagt sie ihm: "Herr, wärst du hier gewesen, mein
Bruder wäre nicht gestorben." Auch Maria kommt später zu Jesus, wirft sich zu Seinen
Füßen – im Gegensatz zu ihrer Schwester finden wir Maria immer wieder zu den Füßen
Jesu - und spricht dieselben Worte wie ihre Schwester zuvor. Wir müssen hier festhalten,
dass die zwei Schwestern wortwörtlich das Selbe zu Jesus sagen. Seine Reaktion darauf ist
aber völlig verschieden. Wenn Martha spricht, fügt sie auch hinzu: "Aber auch jetzt weiß
ich, dass alles, was du von Gott erbittest, das wird Gott dir geben." Jesus antwortet ihr:
"Dein Bruder wird auferstehen". Martha erwidert: "Ich weiß, dass er auferstehen wird am
jüngsten Tage". Damit entwickelt sich ein Gespräch zwischen beiden, das wir heute eine
theologische Diskussion nennen würden. Martha glaubt zwar, dass ihr Bruder auferstehen
wird, irgendwann in der Zukunft. Damit liegt sie gar nicht falsch. Doch Jesus versucht ihr
begreiflich zu machen, dass die Auferstehung gerade jetzt und hier leibhaftig vor ihren
Augen steht, und sagt: "Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird
leben, auch wenn er gleich stürbe. Und wer lebt und an mich glaubt, der wird den Tod nicht
sehen ewiglich. Glaubst du das?" Martha antwortet noch einmal: "Ja Herr ich glaube, dass
du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll." Ihr Bekenntnis ist
nicht schlecht, aber sie weicht dem Herrn aus. Dennoch geriet sie hier in eine Situation, die
sie nicht ertragen kann. Sie läuft weg und ruft ihre Schwester, die sich erst dann auf den
Weg macht, als sie hört, dass der Herr sie ruft. Sie wird von anderen Juden begleitet:
"Als
nun die Juden, die bei ihr im Hause waren und sie trösteten, sahen, dass Maria schnell
aufstand und hinausging, folgten sie ihr, indem sie sagten: Sie geht zur Gruft, auf dass sie
daselbst weine."
(Johannes 11,31). Maria kommt also zu Jesus und als sie ihn erblickt, fällt
sie zu Seinen Füßen und sagt exakt dieselben Worte wie ihre Schwester Martha: "Herr
wärest du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben." Jesus geht aber völlig anders
mit Maria um. Mit ihr tauscht er keine theologischen Ansichten aus, er tut etwas ganz
anderes. Als er sieht, dass Maria weint, und auch die anderen Juden, die mit ihr gekommen
sind, weinen, wird er in seiner Seele bewegt und erschüttert. Er fragt: "Wo habt ihr ihn
hingelegt?" Sie antworteten ihm: "Herr komm und sieh." Jesus fängt an zu weinen. Wie
sehr unterschiedlich Jesus die zwei Schwestern betrachtet. Beide glauben, dass er der Sohn
Gottes ist. Beide lieben ihn. Beide dienen ihm. Doch welch ein Unterschied! Mit Maria
redet er nicht über theologische Fragen, sondern handelt unverzüglich. Das ist die Frucht,
wenn jemand sich zu Jesu Füßen setzt und seiner Rede zuhört.
Wir können gleichermaßen gläubig sein. Wir können gleichermaßen Ihn lieben. Wir
können gleichermaßen Ihm dienen. Wir können ihm dieselben Worte sagen, und doch
kann uns passieren, dass der Herr auf unsere Worte völlig verschieden reagiert, nämlich
gemäß dessen, was unser Herz erfüllt. Wir sehen, dass Martha sich sehr bemüht, Maria
dagegen setzt sich still zu Jesu Füßen und hört Ihm zu. Das Wort des Herrn verändert ihr
ganzes Leben, und noch viel mehr ihr ganzes Wesen. Dasselbe geschieht mit uns, wenn
wir Ihm auf diese Weise zuhören, Sein Wort sanftmütig annehmen und mit Glauben
vermischen (Hebräer 4,2).
Es gibt noch einen weiteren Unterschied zwischen den Schwestern:
"Sechs Tage vor dem Passah kam Jesus gen Bethanien, da Lazarus war, der Verstorbene,
welchen Jesus auferweckt hatte von den Toten. Daselbst machten sie ihm ein Abendmahl,
und Martha diente; Lazarus aber war deren einer, die mit ihm zu Tische saßen. Da nahm
Maria ein Pfund Salbe von ungefälschter, köstlicher Narde und salbte die Füße Jesu und
trocknete mit ihrem Haar seine Füße; das Haus aber ward voll vom Geruch der Salbe. Da
sprach seiner Jünger einer, Judas, Simons Sohn, Ischariot, der ihn hernach verriet: Warum
ist diese Salbe nicht verkauft um 300 Groschen und den Armen gegeben? Das sagte er aber
nicht, dass er nach den Armen fragte; sondern er war ein Dieb und hatte den Beutel und
trug, was gegeben ward. Da sprach Jesus: Lass sie mit Frieden! Solches hat sie behalten
zum Tage meines Begräbnisses. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch; mich aber habt ihr
nicht allezeit." (Johannes 12,1-8)
Es ist bezeichnend, dass wir Maria immer wieder bei den Füßen Jesu vorfinden! Und wo
ist Martha? Sie dient schon wieder! Und nun tut Maria etwas, was kein Mensch versteht.
Judas versucht sie sogar zu stoppen, doch wird er dabei vom Herrn selbst zurechtgewiesen.
"Lass sie mit Frieden! Solches hat sie behalten zum Tage meines Begräbnisses." Aus
den anderen Evangelien erfahren wir, dass nicht nur der Verräter sich gegen Maria stellt,
sondern auch alle anwesenden Jünger Jesu völliges Unverständnis zeigen. Sie kritisieren
sie. Sie wollen ihrem Tun wehren, doch auch sie werden vom Herrn korrigiert. Maria tut
etwas, was die Menschen nicht begreifen. Das ist eine weitere Frucht von dem "sitzen zu
Jesu Füßen und Seinen Worten zuhören". Wir tun dann Dinge, die den Menschen nicht
gefallen, weshalb sie uns dann kritisieren, angreifen oder sogar töten! Uns auf die Seite der
Wahrheit zu stellen kann viel kosten. Doch genau wie bei Maria, wird der Herr Zeugnis
geben, dass es Ihm gefällig ist, was wir tun. Wir stehen ständig vor einer Entscheidung.
Wem wollen wir gefallen? Gott oder Menschen? Die zwei vertragen einander nicht.
Aber solche Taten können nur diejenige vollbringen, die sich zu Jesu Füßen setzten und
seiner Rede zuhören. An ihnen wird das Wort erfüllt: "Was kein Auge gesehen hat und
kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat
denen, die ihn lieben." (1.Korinther 2,9).
Diejenigen, die Ihn lieben, setzen sich zu Seinen Füßen und hören Seiner Rede zu,
denn eins ist not. DIESES EINE.
Unser Himmlischer Vater und Gott, schenke uns die Gnade, dass wir dein Wort verstehen.
Gib uns Ohren zu hören, Augen zu sehen und mach unsere Herzen verständig, damit wir
Deine Wege verstehen und auf ihnen wandeln. Auf dass Du uns benutzen kannst, auf dass
viele Dich erkennen mögen. Dich den allein lebendigen und waren Gott und Jesus
Christus, den du gesandt hast. Wie geschrieben steht im Psalmbuch (115,1): "Nicht uns
Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre!" Amen.